Warum eine Topothek?

Private Fotos und Filme gehen verloren: Physisch, wenn die Eigentümer keinen Bezug mehr zu den Bildinhalten herstellen können und wenn sie deren dokumentarischen Wert nicht einschätzen können. Oder sie landen als Digitalisate ungeordnet in historischen Social Media-Gruppen. Mit einer unklaren Rechtslage und geringem Erschließungsgrad bleiben diese Dokumente für die breite Öffentlichkeit und Wissenschaft unzugänglich. Daher braucht es ein digitales Gefäß, in dem dieses historische Erbe aufgefangen werden kann.

 

Ausstellung und Chronik

Allein ein Aufruf an die Bevölkerung, für eine bevorstehende Ausstellung oder die Neufassung der Chronik Bildmaterial und Exponate zur Verfügung zu stellen, bringt eine so große Zahl an Materialien, aus denen für das geplante Ausstellungsvorhaben rigoros einige wenige, eindrucksvolle Stücke ausgewählt werden muss. In einer Topothek können auch jene Bilder und Objekte erschlossen und sichtbar gemacht werden, die in Ausstellung oder Chronik keinen Platz finden würden. Wer weiß, welches Detail gerade für die Nachforschungen oder die Erinnerung von einr Besucherin oder einen Besucher der jeweiligen Topothek eine Rolle spielen mag? Jedes noch so kleine Detail, jede noch so unbedeutend erscheinende Alltagssituation auf einem Foto kann für jemanden von großer Bedeutung sein.

 

Die Bilderflut bewältigen

Fotografie, später auch das bewegte Bild wurde in den Jahren nach 1945 zunehmend zum Allgemeingut. Daher ist das Material, das jetzt schon eine historische Relevanz besitzt, in großer Fülle vorhanden. Und es wird von Jahr zu Jahr mehr. Diese wachsende Bilderflut kann von den Institutionen allein nicht aufgearbeitet werden. Dies zu digitalisieren und die letzten, noch verfügbaren Informationen zu den Bildinhalten zu dokumentieren, ist eine große Aufgabe. Sie kann wohl nur mit der unbezahlbaren – und tatsächlich auch unbezahlten – ehrenamtlichen Arbeit der „Citizen Scientists“, unseren Topothekarinnen und Topothekaren, bewältigt werden kann.

 

Historisches Material und Verantwortung

Der Besitz von historischem Material ist mit Verantwortung verbunden. Besonders, wenn es sich um Unikate handelt. Darf ich ein Unikat mit historischer Information der Öffentlichkeit vorenthalten? Bin ich verpflichtet, es zu konservieren? Was ist Information? Der Gedanke, der die Topothek trägt ist, dass der Besitz von historischem Materil mit Verwaltung gleich zu stellen ist: das Material zu erhalten und die darin enthaltenen Informationen zugänglich zu machen. Besonders durch die vernetzte Auffindbarkeit der Digitalisate werden viele Menschen Dinge finden, deren Relevanz dem Besitzer des Originals gar nicht bewusst war. Etwa, dass beim Faschingsumzug die dritte Person in der letzten Reihe der Urgroßvater einer Topothek-Besucherin ist oder, wie es auch schon der Fall war, eine seltene Rinderrasse entdeckt wird.

 

Original und Digitalisat

Die Topothek steht am Schnittpunkt zwischen archivalischen und illustrativen Interessen. Einerseits möchte sie die originalen Objekte so real als möglich zeigen, andererseits aber auch ein eindrucksvolles, lebendiges Bild der Vergangenheit vor die Augen zaubern. Daher stellt sich oft die Frage, ob ein verblasstes Foto in seinem Kontrast verbessert werden soll, um einen plastischen Eindruck des alten Marktplatzes zu geben oder ob der Zustand des vergilbten und verschmutzten Fotos im Jahr 2018 gezeigt werden soll, der nur mehr schemenhaft die Häuser im Hintergrund erkennen lässt. Die Art des Umgangs mit diesem Spannungsfeld obliegt den Topothekarinnen und Topothekaren. Worauf wir aber großen Wert legen ist die Feststellung, dass ein Digitalisat in keiner Weise ein Original ersetzen darf. Das Original ist in jedem Fall erhaltenswert und das Digitalisat sein – vielleicht optisch optimiertes – Gesicht für die Öffentlichkeit, die mit ihm in Kontakt treten möchte.